November 6, 2025

1965 Naturmuseumspark St. Gallen

1965 Naturmuseumspark St. Gallen

Ort: 
Rorschacherstrasse 253,  9016 St. Gallen, Schweiz

Projektphasen:
Wettbewerb 2009, 1. Rang; Realisation 2017 – 2018

Bauherr:
Hochbauamt St. Gallen

Landschaft:
Wettbewerb Robin Winogrond, Ausarbeitung und Realisierung Studio Vulkan

Architektur:
Armon Semadeni Architekten GmbH, Zürich in Zusammenarbeit mit Meier Hug Architekten AG, Zürich

Fotografie:
Das Bild/Judith Stadler, J. C. Jossen, Studio Vulkan, Daniela Valentini

Details:

Eine Inszenierung naturkultureller Gegensätze

Der Park des Naturmuseums St. Gallen inszeniert das spannungsreiche Bild einer Schweizer Landschaft im Übergang – ein Ort, an dem Infrastruktur, Stadtrand und landschaftliche Idylle aufeinandertreffen. Auf dem Dach eines Autobahntunnels gelegen und eingebettet zwischen Sportanlagen, Wohnsiedlungen und Ausfallstraßen, thematisiert der Park Naturgeschichte im Spannungsfeld zwischen künstlicher Natürlichkeit und natürlicher Künstlichkeit.

Ein Hain aus Hainbuchen rahmt den Park und wird durch eine bodennahe Vegetation aus Farnen und Stauden ergänzt. Exotische Hortensien erweitern das vorrangig einheimische Pflanzenspektrum und verstärken so das Paradox dieses Ortes. Monumentale Trittsteine fungieren als poetisch-wissenschaftliche Exponate im Freiraum – versehen mit eingemeißelten Zitaten, geologischen Begriffen, Fossilien und eiszeitlichen Findlingen erzählen sie von den zeitlichen Dimensionen und Prozessen der Erdgeschichte. Sie laden ein zur Reflexion und wecken Neugier und Vorstellungskraft.

Dem künstlichen Baustoff Beton wird natürlicher „Nagelfluh-Beton“ gegenübergestellt. Während der industrielle Beton die Spuren menschlicher Verarbeitung sichtbar macht, bewahrt der natürliche Baustoff seine geologische Ästhetik. Als Bodenbelag fügt sich grünlich schimmernder Ostschweizer Sandstein in die Komposition ein und schafft gemeinsam mit einer natürlichen Schotterebene eine Bühne für die gezielt gesetzten Artefakte.

Der Park ist öffentlich und frei zugänglich. Die Begehung über grobkörnigen Schotter fordert jedoch bewusste Bewegung und fördert eine physische Auseinandersetzung mit dem Gelände – eine leise Erinnerung an die Anpassungsleistung des Menschen gegenüber der Natur. Drei zentrale geologische Epochen, welche die Ostschweiz geformt haben, werden räumlich und narrativ erfahrbar gemacht. Fossilien und Inschriften wie
„Bahamas“ erinnern daran, dass St. Gallen einst Teil eines tropischen Ozeans war. Farbige Findlinge berichten von der Dynamik eiszeitlicher Gletscher.

Zwischen Kirche und Museum positioniert, schlägt der Park zugleich eine Brücke zwischen Religion und Wissenschaft. Eingravierte Zitate aus der Bibel, von Charles Darwin und Max Planck eröffnen einen offenen Dialog zu unterschiedlichen Weltentstehungstheorien – eine Einladung zur kontemplativen Auseinandersetzung inmitten einer stillen Landschaft.

Auch vor dem Museum setzt sich diese Erzählung fort: Hier stehen Ginkgos und Lärchen – beide Symbolträger geologischer und biologischer Besonderheiten. Der Ginkgo gilt als ältester Baum der Erde, besitzt jedoch blattartige Nadeln. Die Lärche, ein Nadelbaum, wirft ihre Nadeln im Winter ab. In ihrem saisonalen Farbwechsel vereinen sich Gegensätze zu einem sicht- und spürbaren Sinnbild der Vielfalt naturgeschichtlicher Entwicklung.